Digitalisierung an Schulen und Tempo der IT Konzerne

Im Februar 2019 hat der Bundestag den Digitalpakt beschlossen. Dabei geht es um die Finanzierung technischer Geräte und Internet-Anbindungen von Schulen. Da wo Geld winkt, sind die Verkäufer nicht weit: Schulen im ganzen Land werden von Tech-Konzernen umgarnt, sich an sie zu binden. In diesem Auftrag der Digitalisierung passieren zur Zeit viele Fehler. Dabei wird die eigentliche Frage nicht gestellt: Was brauchen die Kinder für ihre Entwicklung? Erst wenn diese Frage beantwortet ist, kann überlegt werden, welches Produkt von welcher Firma dieses Bedürfnis befriedigt.

Was ist der Digitalpakt?

Der in 2019 beschlossene Digitalpakt ermöglicht es dem Bund, Internet-Leitungen, technische Geräte und Lernsoftware für die über 40000 Schulen zu finanzieren. Innerhalb der nächsten 5 Jahre werden 5 Milliarden Euro investiert (Etwa 500 Euro pro Schüler). Wegen des Bildungsförderalismus musste dafür das Grundgesetz angepasst werden.

Wie war das noch früher?

Kurzer Ausflug in meine Schulzeit. Halt Stop, ich muss gar nicht so weit zurück gehen, an der Waldorfschule unserer Kinder ist die Situation ähnlich. Ich glaube es war in der Oberstufe, da gab es einen Computerraum – natürlich ohne Internet. Jeder Arbeitsplatz war mit einem Desktop Computer ausgestattet und wir konnten erste Erfahrung mit der Programmiersprache Turbo Pascal sammeln. Die damalige Herausforderung lag wohl in der initialen Anschaffung der Geräte, im zeitlichen Aufwand der Instandhaltung und dem fehlenden Lehrerpersonal mit der nötigen Qualifizierung. Die heutige Problemstellung ist nur wenig anders und Samsung, Google, Microsoft und Apple haben heute eine Lösung für:

  • Anschaffung und stetiger Austausch der Technologie
  • Fortbildung der Lehrer/Schulen und deren „Instrumentalisierung“
  • Kollaborative oder individuelle Lernsoftware

Wo soll die „Digitalisierung“ denn hinführen?

Das würde genügen, um echte informationstechnologische Lerninhalte wie beispielsweise Algorithmen zu erarbeiten. Dafür würden – wie damals – eine oder zwei Wochenstunden im Computerraum genügen. Die Intention der breiten Masse, die über Digitalisierung im Schulsystem diskutiert, haben aber eine andere Vision: Das vollständige digitale Lernen. Hefte und Bücher werden zugunsten von WLAN an der Schule und Tablets für jeden verbannt. Anstatt Karteikärtchen zum Vokabeln lernen gibt es die App. Wie praktisch, so hat der App-Hersteller von Microsoft auch noch gleich einen stetigen Wissensstand, wie gut es so um die Vokabelkenntnisse des aktuellen Jahrgangs in Deutschland steht. Denn eines ist ganz klar: IT Konzerne sind keine Samariter. Ihr Geschäftsmodell basiert auf der Datensammlung und dem Verkauf ihrer Produkte sowie der Bindung der Nutzer an ihre Produkte und ihrer Infrastruktur. Wer sich einmal im Kosmos von Appel bewegt, ist verhaftet und kommt ohne Einbußen der eigenen Konvenienz nicht frei!

Aber wer kümmert sich denn um die eigentlich interessante Frage: Was brauchen unsere Kinder wann, um zeitgemäß in die Zukunft entlassen zu werden? Erst wenn diese Frage beantwortet ist, kann doch entschieden werden, welche Produkte zu diesem Zwecke gekauft werden müssen. So funktioniert jeder gut geführte, nach den eigenen Interessen agierende Haushalt. Meine Befürchtung im aktuellen Vorgehen ist, dass der Preis sehr hoch sein könnte, wenn man sich nach den Interessen der IT Konzerne richtet. Sie sind nicht in der Verantwortung den Bildungsauftrag zu erfüllen und das wäre auch nicht der Wunsch der Aktionäre – damit lässt sich kein Geld verdienen. Vielleicht würde hier eine „Zielvereinbarung“ lohnen: Die Bezahlung der IT-Konzerne richtet sich nach dem Lernerfolg der Kinder.

Fehlendes globales Medienkonzept zur Digitalisierung des Landes

Dabei könnte ein globales Medienkonzept helfen. Ein Medienkonzept, das sich den Ansichten und Bedürfnissen aller Schulformen annimmt. Schulen müssen sich entscheiden, welche der zur Verfügung gestellten Module des Konzepts tragende Säulen ihrer schuleigenen Medienkonzepts sein sollen. Eltern können sich darüber informieren und für sich und ihre Kinder entscheiden, ob es zu ihren Ansichten passt. Eine schulübergreifende Vergleichbarkeit könnte dadurch gegeben sein.

Für unseren Waldkindergarten und unsere Waldorfschule gilt aber trotzdem mindestens:

  • IT-freier Kindergarten
  • IT-freie Klassen 1-4 / Unterstufe

Das hilft mir natürlich aktuell sehr, denn meine Kinder sind 6 und 9 Jahre alt und die Gefahren und Probleme, die hier im Artikel beschrieben sind, stellen sich mir aktuell nicht. Der Umgang mit Medien bleibt dennoch Aufgabe der Familien und Schulen. Dabei hilft der Klassenvertrag zum Umgang mit Medien.

Wenn also die Landesvorsitzende von Rheinland-Pfalz mit Tablets für Kindergärten winkt, sollten wir nicht als erstes denken: Das wird aber auch Zeit, die anderen Länder sind schon viel weiter! Sondern, warum eigentlich? Was machen denn die Kinder damit und was nützt es ihnen und wie groß ist der Schaden?

Schulen alleine gelassen

In diesem Artikel der Zeit wird an vielen Beispielen klar, in welches Dilemma sich die Schulen aktuell begeben. Kooperationsverträge werden beleuchtet, die zwischen Schulen und Konzernen geschlossen werden, die beispielsweise Lehrer zum öffentlichen Auftreten an Messen verpflichten – was verboten ist. Alle Beispiele im Artikel haben eines gemeinsam, Wirtschaftskonzerne lassen sich ihr Engagement unter anderem mit „Werbung“ bezahlen. Das reicht vom Google Classroom bis zur Namensgebung der Schule.

Ich bin jedenfalls froh sicher sein zu können, dass es bei uns keine Freie Samsung Waldorfschule geben wird.

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